Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich die Anforderungen für die Bestimmung sicherer Herkunftsländer im Rahmen beschleunigter Asylverfahren verschärft. Laut dem Gericht dürfen die EU-Mitgliedstaaten nur dann Listen verlässlicher Herkunftsländer erstellen, wenn sie die Grundlage ihrer Einschätzungen offenlegen und sicherstellen, dass die gesamte Bevölkerung in den betreffenden Ländern geschützt ist.
Im spezifischen Fall des Verfahrens wurde erstmals die Situation der italienischen Aufnahme- und Abschiebungszentren für Migranten in Nordalbanien angesprochen. Die entscheidende Frage war, wann EU-Länder die Herkunftsländer von Migranten als sicher klassifizieren dürfen und ob Asylfolgerungen für Anträge von Menschen aus als sicher geltenden Ländern, wie Albanien, direkt wieder in ihre Heimatländer geschickt werden können.
Auf den Hinweis sei gesagt, dass es zurzeit noch keine allgemeine Liste sicherer Herkunftsstaaten gibt, die von allen 27 EU-Staaten anerkannt wird. Stattdessen hat jedes Land seine eigenen Listen erstellt. Italien spricht derzeit von 19 als sicher eingestuften Staaten, die zusätzlich zu den sechs westlichen Balkanländer auch Ägypten, Algerien, Bangladesch, die Elfenbeinküste, Gambia, Georgien, Ghana, Kap Verde, Marokko, Peru, Senegal, Sri Lanka und Tunesien umfassen.
Aktive Nutzung der albanischen Zentren
In dem erwähnten EuGH-Verfahren forderten zwei Männer aus Bangladesch erfolgreich vor einem Gericht in Rom, ihre Rückführung in die italienischen Abschiebezentren in Albanien zu stoppen.
Die Liste von Deutschland beinhaltet zehn Staaten, was die kürzeste nach der italienischen ist, wenngleich sie ebenfalls auf die sechs Westbalkanstaaten – Albanien, Bosnien-Hercegovina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien – sowie Georgien, Ghana, Moldau und Senegal verweist. Im April legte die EU-Kommission ihre eigene Liste vor. In dieser befinden sich unter anderem die als Beitrittskandidaten geltenden Kosovo und die Länder Ägypten, Bangladesch, Indien, Kolumbien, Marokko und Tunesien.
Die italienischen Einrichtungen in Nordalbanien, die seitdem kaum genutzt werden, spielen zwischenzeitlich keine hauptsächlich funktionale Rolle für Aufnahme- und Abschiebemaßnahmen mehr. Stattdessen hat sich deren Verwendung seit März auf die Bereitstellung von Orten für abgelehnte Asylbewerber zu verschieben, die zuvor in italienischen Einrichtungen untergebracht waren und deren Anträge negativ beschieden wurden.
Widerspruch von Pro Asyl
Vorab wurde am 9. Mai darüber berichtet, dass Italien zum ersten Mal fünf Männer aus Ägypten mit einem Charterflug von Tirana nach Kairo zurückgeschickt hat. Aktuell sind rund zwei Dutzend abgelehnte Asylbewerber in den Albanischen Zentren untergebracht und warten auf ihre Rückführung.
Die Organisation Pro Asyl hat bereits vor der Urteilsverkündung die Errichtung sogenannter Rückführungszentren in Drittstaaten kritisiert. Wiebke Judith, die rechtspolitische Sprecherin, bezeichnete das in Italien entwickelte Modell als ‚gefährliche Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Politik‘, die alle Menschenrechtsfragen und die Schicksale der Betroffenen ignoriere. Zudem gab sie die exorbitanten Kosten für Giorgia Melonis Konzept an und meinte, dass dies in krassem Gegensatz zur Ineffizienz und Wirkungslosigkeit dieses Ansatzes stehe.
Judith betont darüber hinaus, dass sowohl die albanischen Einrichtungen zur Umsetzung von Asylverfahren als auch als Abschiebezentren agierend, in ihrer menschenrechtlichen Bilanz alles andere als positiv sind. massive Inhaftierungen, der fehlende Zugang zu rechtsstaatlichem Schutz sowie mangelhafte demokratische Kontrolle haben zur systematischen Entrechtung von schutzbedürftigen Personen geführt.
Die Pro Asyl-Sprecherin appelliert: ‚Es darf keine, seltenen Rechtszonen jenseits der EU existieren, in welchen Mitgliedsstaaten einfach ihre Verantwortung gegenüber den Asylsuchenden abwälzen können.‘
