Am Sonntagabend, während viele sich in die Welt des „Tatorts“ begaben, entwickelte sich in Siegen ein ganz eigener Krimi auf den Wahlurnen. Die Konkurrenz um den Bürgermeisterposten war spannender als eine TV-Show und brachte eine echte Überraschung.
Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt entschieden sich für eine zweite Wahlrunde, in der Tristan Vitt schließlich die Nase vorn hatte – und das mit einem extrem knappen Ergebnis! Nur zehn stimmen trennten ihn von dem bisherigen Bürgermeister Steffen Mues (CDU). Der 28-jährige Vitt (SPD) konnte das Amt übernehmen.
Erschütternde Spannung bei der Stimmauszählung
Die Stimmauszählung verlief für beide Kandidaten wie eine echte Zitterpartie. Es dauerte eine Weile, bis sich konkete Ergebnisse abzeichneten. Bis dahin lagen die beiden oft nahezu gleichauf, doch zuletzt kam die eindeutige Meldung aus dem letzten Wahlbezirk.
Die Anspannung im alten Ratssaal des Rathauses war greifbar, während die Ergebnisse zum Leben erweckt wurden.
Vitt verfolgt das Geschehen?
Schon früh war Tristan Vitt mit einigen Unterstützern vor Ort, während sein Vorgänger Steffen Mues die Wahlwahlergebnisse versteckt an einem anderen Ort beobachtete.
„Steffen Mues hat wirklich viel für diese Stadt getan.“
Tristan Vitt; neuer Bürgermeister von Siegen
Die deutliche Führung, die Mues in der ersten Wahlrunde (mit einem Vorsprung von über 13 Prozent) hatte, schmolz im Laufe der Auszählung jedoch dahin.
Ein extrem knappes Endergebnis
Am Ende standen für Tristan Vitt unglaubliche 14.689 Stimmen (50,02 Prozent) auf dem Zähler, während der amtierende Bürgermeister Mues knapp mit 14.679 Stimmen (49,98 Prozent) unterlag.
„Ich bin überwältigt und sehr froh“, äußerte sich ein strahlender Tristan Vitt nach der Bekanntgabe des Ergebnisses. Für ihn ist das ein ganz klares Zeichen, dass die Siegener den Wandel wünschen. „Jetzt wollen wir gemeinsam mit einem starken Team für Siegen und Siegen-Wittgenstein arbeiten“, ergänzte er und nahm auch den Wahlsieg seines Genossen Andreas Müller ins Visier.
„Steffen Mues hat viel Geschaffen für diese Stadt“, lobte Vitt und zeigte viel Respekt vor dessen Lebenswerk im Bürgermeisteramt. Er wolle diesen Respekt und die Bedeutung seines neuen Amtes ernst nehmen und mit „guter Arbeit und Fleiß“ starten.
„Es ist eine große Enttäuschung, dass ich nicht nochmal antreten konnte.“
Bürgermeister Steffen Mues; unterlegener der Stichwahl
Steffen Mues (60) ließ niemanden im Unklaren über seine Gefühle an diesem Abend. „Ich bin sehr enttäuscht, dass ich nicht länger im Amt bleiben kann.“ Das Bürgermeisteramt war für ihn seit 18 Jahren eine Herzensangelegenheit gewesen.
Trotz eines Wahlkampfes, den er für positiv hielt, hatten er nicht genügend Wähler mobilisieren können. Die unterschwellige Stimmung für einen Wechsel hatte er nicht bemerkt, sagte er. „Es ist eine Niederlage – und das ist auch Demokratie“.
„Tarakt die Siegener hatten eine echte Wahl“, fand Detlef Rujanski, Fraktionsvorsitzender der SPD und früher selber in der Stichwahl gegen Mues unterlegen. Die Tatsache, dass am Ende solche wenigen Stimmen entscheidend waren, beschreibt wie wichtig jede einzelne Stimme wirklich ist. Er beabsichtigt, dieses spannende Wahlszenario in Schulklassen zum Thema zu machen: „Das ist, wie Demokratie funktioniert!“
Ein unvergesslicher Moment für die SPD
Nicole Reschke, Co-Vorsitzende der SPD im Kreis Siegen-Wittgenstein und neu gewählte Bürgermeisterin in Freudenberg, brachte den Abend mit einer prägnanten Bemerkung auf den Punkt: „Gänsehautmoment“. So viel Spannung hatte sie in ihrer politischen Laufbahn noch nicht erlebt. Sie war über das Ergebnis „très begeistert“.
Für den neuen Bürgermeister wird auf jeden Fall eine herausfordernde Zeit kommen. Mit der Leitung einer fast 1.700 Mitglieder starken Verwaltung und den wachsenden kommunalen Aufgaben in Anbetracht riesiger finanzieller Lücken steht viel auf dem Spiel.
Auch politisch wird Vikt gefordert werden. Der Siegener Rat wird sich im November auf sensationelle 72 Sitze erweitern, was die politische Landschaft ziemlich bunt gestalten wird. Die Tage in denen man auf stabile Koalitionen bauen konnte, gehören demnach vorerst der Vergangenheit an.
Kommt ein Comeback der „Gro-Ko“ (Große Koalitionen) von CDU und SPD in Frage? Deren kombinierte Sitze (21 und 17) könnten auf 38 und damit eine Mehrheit ergeben, aber reicht es nur für diese einträchtigen Räume. Ob die AfD, die die drittstärkste Kraft im Rat mit bald zwölf Sitzen einnimmt, als Koalitionspartner in der Industrie auftritt? Abermals eher unwahrscheinlich.
Fehlende Kurve für Gedanken Austausch
Der neue Bürgermeister wird zahlreiche Gespräche führen müssen. Und seine Intention ist da klar: „Ich werde mit allen demokratischen Parteien in Kontakt treten, um herauszufinden, wie wir die wichtigen Projekte in Siegen umsetzen können“.
