Steinbrück äußert sich deutlicher denn je
Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) übt scharfe Kritik an den aktuellen Strukturen des Sozialstaats und sieht die Demokratie in Gefahr.
In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung hat Steinbrück eine umfassende Reform des Sozialsystems gefordert. Er stellte fest, dass die hohe Anzahl an steuerfinanzierten Leistungen zu einem ineffizienten System führen kann. Während der Normenkontrollrat von 170 Sozialleistungen ausgeht, zitiert er das Ifo-Institut mit der Zahl 500. „Das führt zu absurde Zuständen“, erklärte er.
Seiner Ansicht nach sollte das aktuelle System weg von individueller Gerechtigkeit und hin zu einheitlichen, pauschalen Leistungen gehen. Diese litten unter der Fragmentierung und müssten zentral und digital über eine einheitliche Plattform organisiert werden, so Steinbrück. Daneben hält er auch eine umfassende Modernisierung des Staats mittlerweile für unabdingbar.
Kritik an der Regierung – Lob für den Digitalminister
Steinbrück fordert eine Renovierung des Staatsapparates: „Wir müssen die Digitalisierung vorantreiben, Bürokratie abbauen und unsere Infrastruktur modernisieren. Nur so können wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken und die Bildung besser fördern.“ Positives kann er hingegen über den Digitalminister Karsten Wildberger sagen: „Was bislang in Kooperation mit den Ländern auf den Tisch gelegt wurde, gehört zu den weitreichendsten Entwicklungen, die wir in den letzen zehn Jahren in Deutschland erlebt haben.“
TAGESANBRUCH: Ihr täglicher Newsletter aus der Chefredaktion von t-online. Halten Sie sich ständig über die Themen informiert, die Deutschland bewegen. Jetzt kostenlos abonnieren
Gleichzeitig übt er jedoch auch deutliche Kritik an der Bundesregierung wie auch an der Führungsstärke von Kanzler Friedrich Merz (CDU): „Die Regierung gibt viel zu schnell nach, wenn laute Gruppierungen ihre Empörung kundtun.“, so Steinbrück.
Gefährdung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen
Für Steinbrück ist die aktuelle Koalition eine kritische Zeitprüfung. Er bezieht sich auf das wachsende Misstrauen in die Handlungs- und Leistungsfähigkeit des Staates: „Es ist wichtig, dass diese Koalition proaktiv entgegenwirkt, sonst stehen wir vor einem Demokratieproblem“, warnt er.
Dabei spricht sich der 78-Jährige auch gegen das negative Bild Deutschlands aus, das derzeit in der öffentlichen Debatte verbreitet wird. „Die Abgänge gehen mir auf den Keks. Wenn ich höre, dass einzelne Unternehmer mit dem Gedanken des Auswanderens spielen, frage ich mich immer: Wo denn hin?“ So betont er die Stärke der deutschen Wirtschaft, die gut ausgebildeten Fachkräfte und die stabilen demokratischen Strukturen, die nach wie vor bestehen.
Quellen:
- Erstveröffentlichung der Süddeutschen Zeitung
