Juli Zeh kritisiert die Versuche, die AfD mit einer politikfreien Mauer einzuschränken

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Juli Zeh, die in Brandenburg lebt, hat klare Ansichten darüber, wie die etablierten Parteien mit der AfD umgehen sollten. Die politische Trennung mittels einer Brandmauer betrachtet sie als gescheitert.

In einem Gespräch mit der wochentaz erklärte die Schriftstellerin, dass sämtliche Versuche, die AfD kleinzuhalten, in den letzten zehn Jahren wirkungslos geblieben seien und die Partei inzwischen immer weitere Erfolge verzeichnet. „Die Prozente der AfD steigen ja immer weiter“, sagte Zeh.

Über ein mögliches Verbot der AfD äußerte sich Zeh ebenfalls skeptisch. Ihrer Meinung nach könnte ein Verbot sogar der Partei in die Hände spielen. „Der AfD-Funktionär sollte auf seiner Wunschliste für 2026 ganz oben stehen haben: Ich wünsche mir ein Verbotsverfahren“, erläuterte sie. Ein Verbot würde lediglich die Aufmerksamkeit auf die AfD lenken und ihnen einen Vorteil verschaffen.

Der durchschnittliche AfD-Wähler denkt nicht daran, das Parlament abzuschaffen. Juli Zeh, Autorin und Juristin

Die AfD hat bei der letzten Bundestagswahl ihren Stimmenanteil auf 20,8 Prozent verdoppelt und sich so als zweitstärkste politische Kraft hinter der Union etabliert. In aktuellen Umfragen bewegt sich die Partei immer näher an den Unionsparteien, im politischen Barometer von ZDF und Tagesspiegel rangiert sie bei 25 Prozent, was nur einen Punkt hinter der Union liegt.

Im Jahr 2026 werden in fünf Bundesländern neue Wahlen in den Landesparlamenten abgehalten: Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Dort sieht die AfD in den Umfragen teilweise über 40 Prozent Zustimmung.

Zeh, bekannt durch ihre Werke wie Unterleuten und Zwischen Welten , weicht auch nicht von ihrer Position ab, was die Anhänger der AfD betrifft. „Der normale AfD-Wähler möchte nicht das Parlament abschaffen“, betonte sie und fügte hinzu, dass diese Menschen ein starkes Misstrauen gegenüber den traditionellen Entscheidern in Berlin und anderen Hauptstädten empfinden. Sie gibt zu, dass dieses Misstrauen vielleicht nicht wholly gerechtfertigt ist, aber um etwas zu verstehen, müsse man es einfach akzeptieren.

In ihrem Heimatdorf erzielte die AfD 54 Prozent der Stimmen

In ihrem Heimatdorf in Brandenburg, wo die AfD bei der letzten Wahl 54 Prozent der Stimmen erhalten hat, kritisieren viele Bürger die anderen Parteien. „Ich glaube, wir haben momentan niemanden hier, der mit seinen Meinungen selbst außerhalb der Verfassung steht“, erklärte sie. Die meisten Dorfbewohner seien jedoch nicht der Ansicht, dass alle Ausländer herausgeschickt werden müssen.

Die anhaltende Unterstützung der AfD in ihrem Gebiet führt Zeh auf eine grundlegend tiefere Unzufriedenheit zurück. „Die Menschen haben kein Vertrauen in die etablierten Parteien, da grundlegende Versorgungsfragen wie Bildung, Mobilität, Gesundheit und Wohnen nicht ausreichend adressiert werden“, lautete ihre Analyse.

Zeh thematisierte zudem, dass ein problematisches Verständnis von Demokratie innerhalb gewisser Teile der Gesellschaft zu beobachten sei. „Demokratie bedeutet nicht nur, die Wahl zu unterstützen, die man persönlich für gut hält“, sagte sie. Ein eindrucksvolles Beispiel führte sie an: erfolgreiche Volksabstimmungen in der Schweiz gegen den Bau von Minaretten könnten nicht miteinander in Einklang gebracht werden.

Es sei wichtig, eigene Überzeugungen von dem, was Demokratie ausmacht, zu unterscheiden, wies Zeh hin: Das Grundgesetz setzt auch Grenzen für mehrheitsbeschlossene Entscheidungen, dennoch könne man nicht alles, was nicht gefällt, als undemokratisch bezeichnen.

Abschließend kritisierte die Autorin den Alarmismus in der Politik und den Medien. „Wenn man ständig zu verstehen gibt, dass die Apokalypse bevorsteht, wer hat dann noch Zeit für Demokratie und Liberalismus?“, stellte sie fest. Solche Diskurse würden schlussendlich den Erfolg von rechten Populisten befeuern. „Das gilt für jeden, der, motiviert durch Schlagzeilen, so tut, als stünde unser Land kurz vor dem Zusammenbruch.“ (lem)

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