Das Leben mit einer unberechenbaren Krankheit: „Worin liegt das Problem?“

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Es ist ein stetiger Kampf für Svenja Hartmann. Tag für Tag sieht sie sich mit neugierigen und oft sogar beleidigenden Blicken konfrontiert. „Mama, schau mal, warum sieht die Frau dort so komisch aus?“ rufen Kinder im Supermarkt und zeigen ungeniert auf sie. Ihre Eltern versuchen, sich schnell von der Situation zu entfernen, aber Svenja merkt: „Das ist nicht die richtige Lösung; es hilft dem Kind nicht, das Weitersagen ohne eine Erklärung.“

Die Diagnose in der Kindheit

Im Alter von vier Jahren bekam Svenja die Diagnose einer fibrösen Dysplasie. Bei dieser genetischen Erkrankung wird normales Knochengewebe durch faserartiges Gewebe ersetzt, was Deformitäten des Kiefers zur Folge haben kann. Diese Krankheit ist nicht vererbbar. „Ich bemerkte lange nicht, wie sich mein Gesicht veränderte. Meine Eltern hatten immer ein schlechtes Gefühl und ließen mich untersuchen. Mit fünf Jahren wurde sogar von Krebs gesprochen“, erinnert sie sich.

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In der Grundschule bemerkten ihre Mitschüler schnell, dass Svenja anders war. Wenn jemand über ihre Krankheit Witze machte, konterte sie mit Humor: „Mein großes Gehirn braucht halt Platz.“ Mit der Zeit war dieser Umgang jedoch nicht mehr so effektiv. Obgleich es manchmal anstrengend war, war es Svenja dennoch eine Leichtigkeit, Menschen um sich zu versammeln und Freunde zu finden, die sie unterstützten.

Operationen und neue Herausforderungen

Misslichkeiten von Pubertätsjahren mussten sie mit mehreren Operationen überstehen. Als sie 11 und 16 war, wurden ihr Gewebeabschnitte entfernt. „Aber nicht so viel, dass die Stabilität meines Kiefers gefährdet wird. Leider wachsen diese Gewebe nach, auch wenn es nicht so lange hätte tun sollen. Ich lebte mit einer unberechenbaren Krankheit,“ erklärt sie.

Eine weitere Entdeckung

In ihren 20ern fanden die Ärzte während einer OP ein Riesenzellgranulom in ihrem Mund – das ist ebenfalls eine gutartige Wucherung. „Beide Erkrankungen sind unabhängig voneinander, was auch die Ärzte überraschte“, fügt die 32-Jährige hinzu.

Obwohl Svenja manchmal Schmerzen hat, hat sie einmal und für alle Male beschlossen, wenn und ob sie sich operieren lässt: „Ich werde entscheiden, wann ich operiert werden möchte, und das rechtezeitig und nicht aus kosmetischen Gründen. Es stört mich nicht; ich führe ein volleres, glückliches Leben.“ Ihre innere Stärke, betont sie, ist jedoch nicht immer präsent: „Es gibt Tage, an denen ich die bösen Blicke einfach spüre.“

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Svenja hat sich Inklusion zur persönlichen Aufgabe gemacht. Auf ihrer Website und Instagram teilt sie Erlebnisse — unter ihrem neuen Namen „alltagspoetin_“ — und motiviert Menschen, die mehr Selbstvertrauen brauchen: „Es ist normal, anders zu sein.“

Hasskommentare in der realen Welt und im Internet

Der Hass ist nicht nur online spürbar, sondern vermischt sich auch mit dem alltäglichen Leben. „Manche werfen mit Sätzen wie ‚Wie kann man so hässlich sein‘ um sich, wenn ich in der Stadt bin“, so die 32-Jährige. Anfangs bekam sie Angst, als ihre Videos eine große Reichweite erzielten. „Ich trage Verantwortung dafür, was ich sage.”

In einem ihrer Videos spricht sie auch über die beschämenden Kommentare und klickt offen mit den Zuschauern daran. Besonders wichtig ist ihr ein Clip, in dem man ihren Sohn hören kann. „Fragt er, ob seine Mama normal sei, tapfer: Hier ja! Und alle anderen Kinder leben in einer anderen Realität; für sie bin einfach ich, Svenja. Das zeigt, wie wichtig es ist, klar mit Kindern zu sein über das Thema Andersartigkeit,“ betont sie.

Die Zukunft von Svenjas Instagram-Karriere wird sich zeigen: “Ich freue mich über all die positiven Kommentare. Ein lieben Kommentar lautete mal: ‚Du bist trotzdem hübsch‘, was mir zeigt, dass der Weg noch weit ist.”[]

Wenige Wochen ist es her, da trat sie in Hamburg als Stand-up-Comedian auf: „Ich liebe Lächeln und möchte nicht nur auf meine Erkrankung reduziert werden, denn es gibt noch sehr viel mehr in mir.“

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