Wie kleidet man sich eigentlich für die Oper? Diese Frage sorgt weiterhin für Diskussionen. Aber es gibt ein wichtiges Thema, das im Zuschauerraum viel mehr zählt.
Vor zwei Wochen hat die berühmte Mailänder Scala viel Aufmerksamkeit erhalten, als sie entschied, dass Passanten in Unterhemden oder Shorts zukünftig nicht mehr dieungerechnet werden. Meine Kolumne zu diesem Thema hat in den Kommentarspalten des Tagesspiegels eine rege Debatte über den richtigen Dresscode zur Oper entfacht. Echt klasse, wie viele sich beteiligt haben!
Inmitten der Diskussion über Mode und Oper erinnere ich mich an ein besonderes Erlebnis aus meiner Vergangenheit, als ich selbst mal mit den Kleidervorschriften der Scala konfrontiert wurde: Vor etwa 15 Jahren hatte ich die Ehre, an der serata inaugurale der Scala teilzunehmen. Diese feierliche und sehr teure Saisoneröffnung findet jedes Jahr am 7. Dezember statt, dem Feiertag des Heiligen Ambrosius, dem Schutzpatron von Mailand.
Überraschung beim Mantelabgeben
Für diesen besonderen Anlass hatte ich meinen besten schwarzen Anzug, frisch polierte Lederschuhe und ein weißes Hemd gewählt. Allerdings fehlte mir die Krawatte. Als ich meinen Mantel an der Garderobe abgab, bot mir der Mitarbeiter tatsächlich an, mir una cravatta auszuleihen.
Ich erklärte ihm freundlich, dass ich normalerweise keine Krawatten trage. Er nahm dies mit einer bewunderten Gelassenheit zur Kenntnis – ein souveräner Umgang mit dem ungeschriebenen Gesetz der Gala-Mode für Männer in der Scala. In Italien zählt schließlich auch die persönliche Einstellung mehr als die traditionsbedingte Kleiderordnung.
Wenn ich darüber nachdenke, ist das Aussehen der Menschen um mich herum im Zuschauerraum übrigens wesentlich weniger relevant als ihr Geruch. Schließlich lauscht man den Arianen gemeinsam im Dunkeln, aber seine Nase kann man nicht manuell deaktivieren, so sehr man es sich manchmal wünschen würde.
Wenn ich darüber nachdenke, kann ich gar nicht sagen, welche olfaktorische Belästigung für mich die schlimmste ist: Vielleicht die überparfümierten Menschen? Oder diejenigen, die schwitzen? Ganz zu schweigen von den Opernliebhabern, deren muffiger Duft signalisiert, dass ihr Jacketts nach dem Herausnehmen aus dem Kleiderschrank dringend gelüftet werden müssen.
