Düsseldorf. Patti Smith, die beeindruckende Sängerin und Autorin, hat die Herzen eines jüngeren Publikums erobert. Ihr Geheimnis? Ehrlichkeit und Lebenshilfetipps, die sie in den sozialen Netzwerken ausbreitet.
Kürzlich postete Patti Smith ein Bild ihres morgendlichen Kaffees im Greenwich Village auf Instagram. Darauf zu sehen war ihre schöne, schwere Tasse, die zusammen mit dem Manga „Bungo Stray Dogs“ auf dem Tisch lag. In ihrer Bildunterschrift, die wie gewohnt mit „This is“ anfing, teilte sie, dass sie beim Lesen die Musik der koreanischen Boyband Stray Kids hörte. Ein Kommentar unter dem Post von einer Userin namens „deariejo“ fasste die Stimmung vieler zusammen: „Oh Patti, du bist einfach cool.“
Patti wird bald 80 und neu erfunden. Anstatt sich nur auf ihren nachhaltigen Ruhm zu verlassen, ist sie hungrig danach, gegenwärtige Themen zu erkunden und neue Sichtweisen einzunehmen. Auf ihren 1,4 Millionen Instagram-Follower bietet sie keinen langweiligen PR-Account oder Promo für die neuesten Alben, sondern echte Einblicke. Ihre Posts fungieren eher als Tagebuch, voller Euphorie, die die Menschen dazu einlädt, ihre Begeisterung zu teilen. Ob es in einem Hotelzimmer ist, wo sie in Ruhe die Krimiserie „Kommissarin Lund“ genießt oder James Joyce liest – für Patti ist Teilen das A und O.
Es sind spannende Zeiten für die US-Künstlerin. Ihr Debütalbum „Horses“, das von Robert Mapplethorpe ikonisch fotografiert wurde, feiert bald seinen 50. Geburtstag. Auf dem Cover sieht man Patti in Herrenhemd und Jeans, dabei so zart, aber gleichzeitig mit einer klaren „Ich lass mir nichts gefallen“-Attitüde. Die Platte ist eine Fusion aus Poesie, punkiger Vorausahnung und jazziger Energie, mit Texten, die Trauer, Wut, Queerness und Körperlichkeit thematisieren. Ein kultureller Umbruch, der Künstler wie die Ramones, The Clash und die Sex Pistols prägte.
Bereits damals war die Welt aus der Patti schöpfte für sie klar abgesteckt. Ihre Musik und Gedichte basieren auf Einflüssen von Beatnik-Dichtern und Künstlern wie Rimbaud und Baudelaire. In ihrem neuesten Buch „Bread Of Angels“, dem bereits dritten autobiografischen Werk nach „Just Kids“ und „M Train“, erzählt sie von ihrer Reise, wer sie wurde und sein wollte. Patti beschreibt ihr Leben und verschmilzt True-Life-Geschichten mit dem Literarischen. Sie spricht über ihren Verstorbenen Partner Fred „Sonic“ Smith sowie ihre Familie und das New York der 70er-Jahre und schafft so eine zeitlose Verbindung zur Gegenwart.
Genau das macht sie für die jüngeren Fans jetzt relevant: Ihre Standhaftigkeit, das Motto „Steh zu dem, was du tust“ lebendig zu halten. Sie gestaltet constamment ihren kreativen Kosmos aus und bleibt dabei unverfälscht menschlich.
Ein Blick auf ihre mehrmals Millionen Aufrufe erreichende Performance bei der Nobelpreisverleihung 2016 zeigt das deutlich. Dort vertrat sie den damals abwesenden Bob Dylan und sang seinen Song „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“. Zwar passierten ihr zwei Gesangspatzer, während die ganze Welt zuschaute, doch diesen Moment hielt niemand für peinlich oder furchtbar. Ganz im Gegenteil: Es war faszinierend und bewegend. „Sorry, I’m nervous“, bemerkte Patti, während sie lächelte, und ließ durchscheinen, wie tief sie den Moment fühlte, was alle anderen im Publikum nachfühlten.
Zu Beginn von „Bread Of Angels“ erinnert sie sich an ihre Kindheit und wie der kleine Mädchen-Traum entstand, einmal ein Buch zu schreiben. „Ich war überzeugt, dass ich das dickste Buch der Welt schreiben könnte, das all meinen täglichen Erlebnissen gerecht werden würde. Ich würde alles so festhalten, dass Leser Stücke von sich selbst darin finden könnten. Manche würden bleiben, andere vielleicht nicht.“ Im Grunde macht Patti das, was sie als Musikerin, Dichterin und Instagram-Star tut: Sie verwandelt die Magie des Alltags in große Erzählungen.
Und zurück zu ihrem Manga-Frühstücks-Post: Eine Nutzerin namens „ellaggrace“ schrieb dazu: „Patti, du bist so echt.“ Das sagen wohl viele Fans.
