Skandinavische Länder gelten als Musterschüler, wenn es um Familienpolitik geht. Eins ist klar: Hier haben Väter lange Elternzeiten und berufstätige Mütter sind die Norm. Trotzdem fällt die Geburtenrate in den echten Norden gering aus. was könnte der Grund sein?
Durch eine spannende neue Studie, bereitgestellt vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung zusammen mit der Radboud-Universität, versuchen Wissenschaftler diese Frage zu klären. Sie haben die Länder Dänemark, Norwegen und Finnland näher analysiert, um zu überprüfen, wie persönliche Meinungen zu Geschlechterrollen den Wunsch nach Kindern beeinflussen. Ihre Ergebnisse könnten interessante neue Sichtweisen auf die Themen Gleichberechtigung und Familienpolitik mit sich bringen.
Drei Einstellungen, drei Blickwinkel auf das Kinderkriegen
Die Forscher kommen auf drei Sichtweisen zu Geschlechterrollen. Und jede Einstellung bringt unterschiedlich starke Kinderwünsche mit sich:
- Egalitär: Hier wird Arbeit und Familie gleich verteilt. Diese Gruppe von Menschen hat die geringste Kinderwunschquote.
- Traditionell: Männer sind oft am Arbeiten, während Frauen sich um den Haushalt kümmern. In dieser Gruppe ist der Kinderwunsch besonders hoch.
- Ambivalent: Während im Job Gleichheit gilt, bleibt daheim das traditionelle Rollenbild präsent. Hier zeigt sich der Kinderwunsch im Mittelfeld.
Elternschaft nicht für jeden Lebensweg wichtig
Diejenigen, die eher egalitario denken, legen häufig den Fokus auf ganz andere Dinge im Leben. Begriffe wie Karriere, persönliche Freiheit oder auch Reisen stehen bei ihnen höher im Kurs.
Nicole Hiekel, eine der Autorinnen der Studie, erklärt: „Ein großer Teil der kinderlosen Bevölkerung aus dem Norden ist mit der Verteilung im Haushalt zufrieden, sieht jedoch Elternschaft nicht als Lebensziel an.“
Die Relevanz von Elternschaft wurde auf einer Skala von 0 bis 1 bewertet, und hier sind die Ergebnisse sehr aufschlussreich:
- Traditionelle Denker: 0,32
- Ambivalente Personen: 0,24
- Egalitär Orientierte: Nur 0,17
Hohe Zufriedenheit, aber wenig Kinderwünsche
Viele der Teilnehmer leben in stabilen Beziehungen. Dabei sind sie mit der Verteilung von Arbeitslast und Haushaltsaufgaben insgesamt sehr zufrieden, vor allem diejenigen, die egalitär eingestellt sind. Ihr Zufriedenheitswert liegt bei durchschnittlich 0,79.
Aber diese allgemeine Zufriedenheit bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie sich auch Kinder wünschen. Nur in der egalitären Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein Wunsch nach Kindern für sie aufkommt, wenn sie die Arbeitsteilung im Haushalt als fair erleben. In den anderen Forschungsgruppen hat dies jedoch kaum Bedeutung.
Frauen neigen häufiger zu egalitären Einstellungen und haben oft weniger Kinderwünsche
Die Studie offenbart gravierende Unterschiede zwischen den Gruppen, insbesondere hinsichtlich Geschlecht, Bildung und Lebensstil:
- Frauen ziehen häufiger eine egalitäre Sichtweise vor. Und genau in dieser Gruppe ist der Kinderdurst am geringsten.
- Wenn egalitär denkende Paare Kinder bekommen, wählen sie in der Regel zwei Kinder – mehr ist selten angedacht.
- Menschen mit traditionellen Denkweisen wünschen sich häufig drei oder mehr Kinder, allerdings sind sie in der Minderheit, meist weniger gebildet und leben häufig alleine oder in unverheirateten Beziehungen.
- Männer, die traditionell denken, betrachten Elternschaft deutlich häufiger als zentrales Lebensziel im Vergleich zu Frauen.
Das bedeutet jedoch für beide Geschlechter: Wer Gleichheit befürwortet, verfolgt oft ganz andere Ziele im Leben. Kinder passen hier nicht immer in den Alltag.
Wie Gleichstellung unser Familienbild verändert
Eine ausgeglichene Verteilung macht das Leben in einer Familie zwar unkomplizierter, es führt jedoch nicht automatisch zu höheren Geburtenraten. Das ist eine spannende Erkenntnis aus der Studie: „Diejenigen mit den höchsten Fertilitätsziele haben typischerweise eine nicht-egalitäre Einstellung zu Geschlechterrollen. Diese Gruppe bleibt jedoch die kleinste in der Bevölkerung.“
Letztlich entscheiden sich viele Menschen mit Überzeugung gegen Kinder – nicht, weil sie keine Möglichkeiten hätten, sondern vielmehr, weil sie andere Vorstellungen von einem erfüllten Leben haben.
Zusammenfassung
- Die persönlichen Einstellungen zu Geschlechterrollen beeinflussen den Kinderwunsch stark – während egalitär Denkende Elternschaft seltener als Lebensziel betrachten, planen traditionell vorgehende Menschen häufiger Kinder.
- Trotz hoher Partnerschaftszufriedenheit und fairer Aufgabenverteilung entscheiden sich viele Paare, die egalitär eingestellt sind, aktiv gegen Kinder, da sie andere Lebensabsichten haben.
- Obwohl Gleichstellung gute Bedingungen für Familien schafft, garantiert sie nicht auotmatisch einen Anstieg an Geburten, sondern ändert primär die Sicht auf ein erfülltes Leben.
Von Eva Schmitt
Das Original zu diesem Beitrag „Warum moderne Paare sich immer häufiger gegen Kinder entscheiden“ stammt von Smart Up News.
