„Sei einfach du selbst, beweg dich ganz normal und zieh an, was dir gefällt“, gab Woody Allen der jungen Diane Keaton als Regieanweisung für ihre Hauptrolle in „Annie Hall“, die in Deutschland 1977 als „Der Stadtneurotiker“ in die Kinos kam.
In ihrer eindrucksvollen Darstellung brachte Keaton das Neurotische nach vorne. Sie spielt mit ihren Händen, zeigt Unsicherheit bei der Interaktion – besonders beim Flirten mit Woody Allen. Dabei murmelt sie selbstironische Bemerkungen, oft mehr zu sich selbst als zu anderen. Und schon da gelingt es ihr, die Wendung „La Di Da“ so einzuflechten, als ob das jeder ganz selbstverständlich raushauen würde.
1978 krönte dies ihre Rolle mit einem Oscar als Beste Hauptdarstellerin, den sie in einem weißen Leinenblazer entgegennahm, einer Hommage an das ikonische Outfit ihrer Filmfigur. Diese Garderobe machte sie zu einer Fashion-Ikone für eine ganze Generation junger Frauen. Auch Schauspielerinnen wie Emma Stone und Katie Holmes, die 2001 mit ihr in „Mad Money“ spielten, bewunderten sie dafür, wie man in Hollywood erfolgreich sein kann, ohne sich selbst zu verlieren.
Diane als Inspiration für zukünftige Stars
In einem Interview gestand Keaton einmal, dass sie sich eine Karriere wünscht, die der von Katherine Hepburn ähnelt. „Sie hat evolviert und sich verändert.“ Bereits vor „Annie Hall“ konnte Keaton in Francis Ford Coppolas „Der Pate“ (1972) auf sich aufmerksam machen. Dort spielte sie die Freundin – und später Ehefrau – des von Al Pacino gespielten Michael Corleone, Teil eines gefürchteten New Yorker Mafiaclans. Ihr Charakter, das verwöhnte Mädel, wird von den Geschlechterrollen und Traditionen ihrer neuen Familie in die Realität geworfen. Die Wege des Paares trennen sich schmerzlich; in „Der Pate II“ (1974) zeigt Keaton die innere Stärke einer Frau, die mit ihren Entscheidungen ringt, jedoch nicht emotional aufbrausend wird und nur einen kalten Satz offenkundig empfiehlt: „Ich habe abgetrieben, weil ich keine weiteren deiner Söhne zur Welt bringen wollte.“
Diane Keaton wurde 1946 in Los Angeles geboren. Nach dem Abbruch ihres College-Studiums zog sie nach New York, um sich dem Schauspiel vorzubereiten. Dabei änderte sie auch ihren Namen in Diane Keaton, da eine andere Schauspielerin bereits unter ihrem Geburtsnamen geführt wurde. 1968 debütierte sie am Broadway in dem Musical „Hair“, wies jedoch das Nacktangebot für die Hauptrolle zurück.
Nur ein Jahr später erhielt Keaton von Allen ein Angebot für seine Komödie „Play It Again, Sam“. Insgesamt sieben Projekte filmten sie gemeinsam, darunter die Satire „Die letzte Nacht des Boris Gruschenko“ (1975) sowie das Schwarz-Weiß-Drama „Manhattan“ (1979) und die Krimikomödie „Manhattan Murder Mystery“ (1993).
Drei weitere Rollen brachten ihr Oscarnominierungen: Als leidenschaftliche Schriftstellerin Louise Bryant im historischen Drama „Reds“ (1981), als barmherzige Tochter in „Marvins Töchter“ (1996) an der Seite von Meryl Streep und Robert De Niro sowie in der romantischen Komödie „Was das Herz begehrt“ (2003). Obwohl sie bei all diesen Projekten nur nominiert war, zeigen sie die Vielfalt ihres schauspielerischen Schaffens. Nancy Meyers sah Keatons komödiantisches Talent ähnlich groß wie das von Katherine Hepburn an.
1987 begann Keaton zudem als Regisseurin zu arbeiten. Sie inszenierte unter anderem Belinda Carliles Musikvideo zu „Heaven is a place on Earth“, gefolgt von mehreren Episoden für TV-Serien, darunter ein Beitrag zu David Lynchs „Twin Peaks“. Auch beim Film „Aufgelegt!“ (2000) setzte sie sich als Regisseurin und Hauptdarstellerin gekonnt in Szene – hier spielte sie eine Tochter, die in der Abschiedssituation endlich mit Erinnerungen kämpft.
Am vergangenen Samstag ist Diane Keaton im Alter von 79 Jahren in Kalifornien verstorben.
