Der französische Ministerpräsident Sébastien Lecornu hat die umstrittene Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron vorerst ausgesetzt. Das teilte er in seiner Erklärung vor der Nationalversammlung mit. Er kündigte an, die stufenweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre bis Januar 2028 vorübergehend zu stoppen. „Diese Entscheidung soll das Vertrauen stärken und ermöglichen, neue Lösungen zu entwickeln“, so Lecornu.
Durch diese Ankündigung wird es unwahrscheinlicher, dass Lecornu und sein neu formiertes Kabinett bei der bevorstehenden Abstimmung, die von der französischen Linkspartei und der nationalen Rechten beantragt wurde, ins Wanken geraten. Um Unterstützung zu signalisieren, erklärte Boris Vallaud bei seinem Aufruf zur Regierungsduldung, dass die Sozialisten ihre Stimmen für die Regierung erhalten werden. Allerdings bleibt abzuwarten, wie tatsächlich abgestimmt wird, da die Parteikollegen frei entscheiden können.
Lecornu braucht die Opposition hinter sich
Da die Regierungskoalition im Parlament keinen Mehrheitsanspruch hat, ist Lecornu auf das Wohlwollen von Oppositionsparteien angewiesen. Andernfalls steht seine Mitte-Rechts-Regierung schon nach wenigen Tagen vor einer ernsthaften Bedrohung. Die Sozialisten waren die treibende Kraft hinter dem vorübergehenden Aussetzen des Rentenplans und stellen dies als Bedingung für ihre Duldung dar.
Vallaud erklärte, dass ihr einziges Ziel die Sicherung der Interessen des Landes und der Franzosen ist. Mit einem Seitenblick auf die Konsequenzen dieser Entscheidung warnte er auch vor einem möglichen Anstieg der extremen Rechten im Fall eines Regierungssturzes, was eine Bedrohung für die Demokratie in Frankreich darstellen würde.
Doch die politische Lage bleibt angespannt. Nach der vorgezogenen im Sommer 2024 gab es in der Nationalversammlung keinen klaren Mehrheitsblock, und die Parteien sind nicht in der Lage, tragfähige Koalitionen zu formen. Lecornu muss den Dialog innerhalb seiner eigenen Regierung und oppositioneller Kräfte fortsetzen, um nicht überstürzt abgelöst zu werden.
Massenproteste gegen die Rentenreform
Macrons ursprüngliche Rentenreform war eine der umstrittensten Entscheidungen seiner zweiten Amtszeit und führte im Frühjahr 2023 zu monatelangen Massenprotesten in ganz Frankreich. Die grundlegende Idee war, den Renteneintritt schrittweise von 62 auf 64 Jahre zu erhöhen, unter dem Vorwand, eines großen Defizits in der Rentenkasse. Aktuell gilt bereits ein Eintrittsalter von 62 Jahren und neun Monaten. Wer nicht ausreichend in die Kasse eingezahlt hat, musste auch schon vorher länger arbeiten, um eine volle Rente zu erhalten.
Jetzt hat Lecornu zu einer erneuten Diskussion über eine Reform des Rentensystems aufgerufen. Dabei betonte er, dass das zukünftige System in einem stabilen Status bleiben und das bereits hohe Haushaltsdefizit der französischen Regierung nicht weiter belasten dürfe. Der Minister wirft den Blick auf die erheblichen Kosten, die bis zu 400 Millionen Euro im Jahr 2026 und bis zu 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2027 betragen könnten, wobei ca. 3,5 Millionen Franzosen von der Aussetzung profitieren würden.
geplant, in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern eine Konferenz zum Thema Renten und Arbeit abzuhalten. Anhand ihrer Vorschläge könnten die zukünftigen Gesetze gestaltet werden, nach dem Motto: Die Präsidentschaftskandidaten sind dafür verantwortlich, potenzielle Reformvorsläge einzureichen, und die Franzosen werden letzten Endes darüber entscheiden müssen.
Sparmaßnahmen müssen her
Im frühen Sitzungstag präsentierte Lecornu einen umfassenden Haushalt, der zur Sanierung der immer weiter ansteigenden Staatsverschuldung gedacht ist. Im ersten Kabinett hat die Regierung die Finanzzycil vorangetrieben. Ein Ziel ist es, das Haushaltsdefizit von 5,4 % dieses Jahres auf unter 4,7 % im nächsten Jahr zu senken.
Eine schnelle Problemlösung ist existenziell, denn Frankreich lag im Jahr 2024 mit einem Defizit von 5,8 % deutlich über der von der EU vorgesehenen Stimulationsgrenze von 3 %. Bereits im Juli 2024 hat die EU ein entsprechendes Verfahren gegen Frankreich in Gang gesetzt.
