Hark Bohm: Ein großer Filmemacher stirbt im Alter von 86 Jahren

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Viele erinnern sich an Rainer Werner Fassbinder, der Filme drehte, als wäre er das Oberhaupt einer chaotischen Familie – Autorität und Antrieb zugleich. Doch neben Fassbinder könnte man sich in dieser Filmfamilie auch einen älteren Bruder vorstellen, der weiser und erfahrener ist: Hark Bohm. Der Jahrgang 1939, also sechs Jahre älter als Fassbinder, stammt aus Hamburg. Nach Schule und Wehrdienst schloss er sein erstes juristisches Staatsexamen ab, doch die Leidenschaft fürs Filmgeschäft erwachte in ihm durch seinen jüngeren Bruder Marquard.

Hark Bohm erhält von Regisseur Fatih Akin 2018 den „Ehrenpreis“ bei der Verleihung des 68. Deutschen Filmpreises „Lola“.
Hark Bohm erhält 2018 von Regisseur Fatih Akin den „Ehrenpreis“ bei der Verleihung des 68. Deutschen Filmpreises „Lola“.

Ein Hauch von Anarchie in der Filmwelt

In den 70er Jahren war München das Zentrum des Neuen Deutschen Films, und die Bohm-Brüder waren überall aktiv. Hark spielte unter anderem einen linken Studenten in Rudolf Thomas’ „Rote Sonne“, während sein Bruder Marquard an der Seite von Uschi Obermaier zum Star aufstieg. In derselben Zeit stand Hark in Alexander Kluges „Der große Verhau“ und Fassbinders „Der amerikanische Soldat“ vor der Kamera. Doch der Drang, hinter der Kamera zu wirken, wuchs in ihm.

Mit seinem Debüt „Tschetan, der Indianerjunge“ aus dem Jahr 1972 wagte er, eine besondere und sensible Geschichte zu erzählen – eine Art Western, der im bayerischen Hochland spielt und für Montana steht. Der junge Schauspieler Dschingis Bowakow, der Harks Ziehsohn wurde, brachte die Familie hinter der Kamera noch näher zusammen. In den folgenden Jahren war Hark auch weiterhin auf der Leinwand zu sehen, währen er auch fiel immer mehr in die Rolle des izdelija.

Sein Sozialdrama „Nordsee ist Mordsee“ von 1977 widmet sich den sozialen Brennpunkten und der Adaption „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ (1976) spiegelte präzise das Bild einer sich verändernden Gesellschaft wider: Traditionale Werte werden geprägt vom Drang nach individueller Freiheit und einer gewissen Anarchie.

Ein Abschied voller Erinnerungen

In der Filmfamilie des Hamburger Bergs wurde Bohm zur wichtigen Vaterfigur, auch durch die Gründung des Hamburger Filmbüros und des Filmfests Hamburg. Es war ihm wichtig, dass die Kunst aktiv auf gesellschaftliche Missstände reagiert – ein Anliegen, dass er 1987 mit „Der kleine Staatsanwalt“ inszenierte, wo er selbst den unglamourösen Vertreter des Rechtsstaats spielte, der an dessen Grenzen stoßt.

Zudem engagierte ihn Bernd Eichinger für das Fernsehzweiteiler “Vera Brühne”, das zwar in einer seifenoperähnlichen Handlung spielt, aber ebenso wichtige gesellschaftliche Themen behandelt.

Der Einfluss von Hark Bohm ist auch an der Karriere von Fatih Akin zu erkennen. Akin bezeichnet ihn als Mentor. In einem schönen Zug hatte Akin es noch geschafft, Bohm das Kinodebut seiner Verfilmung „Amrum“ zu zeigen, das aus seinen Kindheitserinnerungen auf der Nordseeinsel stammt. Wenige Wochen später verabschiedete sich Hark Bohm in seiner Heimatstadt Hamburg im Alter von 86 Jahren von dieser Welt.

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