Die Situation im Gazastreifen ist schlicht katastrophal. Auch wenn Israel jetzt anscheinend bereit ist, Hilfslieferungen aus der Luft zuzulassen, bleibt das Hauptproblem ungelöst: Die Menge und die Qualität der Hilfen sind weiterhin unzureichend.
Der Gazastreifen ist in einem armseligen Zustand, und ohne nennenswerte Hilfslieferungen droht eine dramatische Eskalation. Entsprechend einem Bericht von BBC sind große Hilfsorganisationen der Meinung, dass die Bereitstellung von Hilfe aus der Luft eine „groteske Ablenkung“ darstellt.
Laut Ciarán Donnelly vom International Rescue Committee (IRC) können Luftabwürfe niemals das Maß an benötigter Unterstützung erreichen, das tatsächlich erforderlich ist.
Trotz der heftigen Kritik internationaler Organisationen – und selbst aus Israel – erteilt Israel nur eine begrenzte Zulassung für Hilfsgüter in den abgeriegelten Küstenstreifen. Am Mittwoch hat sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor einer tödlichen Hungersnot gewarnt, was die Dringlichkeit deutlicher macht.
Am Samstagabend kündigte Israel eine so genannte „humanitäre Pause“ an, um einige Hilfsgüter im Gazastreifen zu verteilen. Zuvor wollte das israelische Militär allerdings wieder mit dem Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft anfangen und plant zudem, die Lieferung von Nahrungsmitteln und Medikamenten durch die Vereinten Nationen über sogenannte humanitäre Korridore zu ermöglichen.
Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Jordanien angekündigt haben, die Hilfspakete sofort wieder abzuwerfen. Zudem erklärte der britische Premier Keir Starmer, dass alles in seiner Macht Stehende unternommen werden soll, um im Gazastreifen Hilfsgüter aus der Luft bereitstellen zu können.
Fragen bleiben jedoch, wie und wo die Hilfsgüter wirklich ankommen sollen. Sind die letzten Ankündigungen bezüglich der Korridore auch wirklich anders geregelt als die bisherigen, die laut humanitären Organisationen oft schlecht koordiniert sind?
Es gibt breite Kritik an den Luftabwürfen an sich. Philippe Lazzarini, der Leiter des UN-Hilfswerks für Palästinenser, bezeichnete diese Methode als kostspielig, ineffizient und potenziell gefährlich für Zivilisten. Gleichzeitig stehen in Jordanien und Ägypten bereits Hilfsgüter bereit, die bloß auf die Erlaubnis warten, auf konventionellem Wege in den Gazastreifen gebracht zu werden.
Eine vorhergesagte Hungersnot in Gaza hat sich nun bewahrheitet. Die aktuelle Titelstory von SPIEGEL gibt Ihnen einen Einblick in das Leid der Menschen im Gazastreifen.
Israel hingegen bestreitet die Existenz einer kritischen Hungersnot und führt eine „Kampagne der Hamas“ als Grund an. Israel beschuldigt die Hamas ständig, die Hilfsgüter von internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen zu stehlen und sie überteuert weiterzuverkaufen. Die Hamas reagiert ihrerseits mit Vorwürfen, dass die israelische Armee regelmäßig auf Hilfesuchende in der Nähe von Verteilzentren feuere und damit die humanitäre Unterstützung verhindere.
Vorwürfe mangelhaft belegt
Einem Artikel der New York Times zufolge fehlen für die israelischen Vorwürfe gegen die Hamas jedoch bestehende Beweise. Laut Militärbeamten läuft das Hilfssystem, welches Israel kotroliert und behindert, grundsätzlich effektiv und versorgt die hungernde Bevölkerung im Gazastreifen mit Lebensmitteln.
Ende der Woche hatte ein Sprecher der israelischen Regierung verkündet, dass die Hungersnot nicht von Israel verursacht wird. Stattdessen schob man die Verantwortung auf die Hamas und die mangelhafte Koordination von UN-Hilfen. Solche Begründungen gibt es immer wieder als Rechtfertigung, die Bereitstellung von Hilfsgütern ins Stocken zu bringen. Diese Argumentation wird jedoch von den Berichten der New York Times angezweifelt.
In den letzten Tagen haben über 100 Hilfsorganisationen eindringlich vor einer massenhaften Hungersnot im Gazastreifen gewarnt. Sogar Nationen wie Großbritannien, Frankreich und Kanada haben sich zu einer gemeinsamen Erklärung zusammengeschlossen, die die „tröpfchenweise Hilfe“ stark verurteilt.
Hinweis der Redaktion: In einer vorherigen Fassung hieß es, dass Israel Hilfsgüter über dem Gazastreifen abwirft. Tatsächlich sind hauptsächlich andere Staaten dafür verantwortlich. Wir haben den Artikel an den entsprechenden Stellen aktualisiert.
