Robert Wilson ist tot: Erinnerungen an einen Theatervisionär

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Es ist kaum zu fassen, dass es schon fast fünf Jahrzehnte her ist, dass Robert Wilson sein Meisterwerk „Death, Destruction & Detroit“ an der Berliner Schaubühne inszenierte. Die eindrucksvollen Bilder, die er auf die Bühne brachte, scheinen heute genauso fremd und außergewöhnlich wie damals. Man sieht einen Schauspieler, den wunderbaren Otto Sander, sich selbst dirgierend während eines fesselnden Monologs; oder einen riesigen grünen Dinosaurier, der auf seinen Hinterbeinen steht und gegen eine weglaufende rote Echse kämpft, während Schwarzgekleidete zur hypnotischen Klaviermusik von Keith Jarrett in Trance tanzen. Gegen Ende schwebt ein Fallschirmspringer in einer nahezu traumähnlichen Bewegung über die Zuschauer, während Zeitungen sanft durch die Luft wehen. Nebel zieht durch den Saal und löst eine geheimnisvolle Atmosphäre aus.

Diese Stücke sind es, die unmissverständlich zeigen, dass sich Wilson nicht einfach darauf beschränkte, Geschichten zu erzählen. Seine Theaterkunst verwob fragmentierte Bilder, die abgeschottet und voneinander losgelöst existieren und dazu einladen, das eigene Empfinden zur Schau zu stellen, ohne dass einem die Worte der Geschichten helfen müssen.

Geboren am 4. Oktober 1941 in Waco, Texas, wollte Wilson eigentlich Maler werden. Seine Kindheit, geprägt von einem konservativen Vater, der kein Verständnis für die künstlerische Ader seines Sohnes hatte, war eine ständige Herausforderung. Er selbst wird oft zitiert, dass er erst im Teenager-Alter seine sprachlichen Schwierigkeiten überwinden konnte. In New York fand sein Herz für die Bühnenkunst und die Ballette von George Balanchine.

Von der Sprachstörung zum Schaffenden

Wilson arbeitete an therapeutischen Szenarien mit behinderten Kindern, was schließlich dazu führte, dass er sein einzigartiges, freies Theater entwickelte. Das Konzept von Stefan Brecht beschreibt ihn nicht ohne Grund als „Visionär des Theaters“, denn seine Kreationen waren nicht irgendwelche Nachahmungen – sie reflektierten vielmehr ein inneres Bild, eine Art des Traums.

Optisch konnte sein Stück „Death, Destruction & Detroit“, das 1979 Premiere feierte, nicht undramatischer sein. Sein Ansatz war einfach nicht vergleichbar mit traditionellem Theater: es gab keinen durchgängigen Handlungsfaden, aber unglaublich einprägsame Bilder, die in ihrer Abstraktion und Poesie universal ans Herz gehen. Mit dieser Inszenierung war ein Anfang gemacht. Über die Jahre folgten weitere Meisterwerke, was Wilson in vielen deutschen Theatern zu einer gefragten Figur des modernen Theaters machte.

Zusammenarbeit und kreative Höhenflüge

In enger Zusammenarbeit mit Größen wie Heiner Müller, dessen „Hamletmaschine“ oder „Quartett“ Wilson großartig inszenierte, schuf er eine Vielzahl von Arbeiten, die klassisches und modernes Schaffen in einer anspruchsvollen Synthese vereinten. Wilsons Inszenierungen glichen oft komplizierten, visuell beeindruckenden Skulpturen, die mit intelligenten Textanpassungen gestützt wurden, aber dennoch eigenständig blühten. Er nahm alte Märchen und Mythen als Inspirationsquelle und fügte ihnen seine eigene, unverwechselbare ästhetische Note hinzu.

In den letzten Jahren wandte sich Wilson vermehrt dem Opernrepertoire zu. Zudem baute er auf Long Island das Watermill Center auf – ein Ort der Begegnung und des kreativen Austauschs, in dem sein kreatives Erbe weiterhin außergewöhnlichen Platz finden kann. Der Verlust von Robert Wilson am 31. Juli hinterlässt eine große Lücke in der Theaterwelt, aber sein Einfluss wird viele Generationen weiterleben.

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