Gerade hat die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf ihren Rückzug aus dem Rennen um das Bundesverfassungsgericht bekannt gegeben, da sind die gegenseitigen Vorwürfe schon am Laufen – und das nicht nur zwischen Union und SPD, sondern auch innerhalb der Koalition.
Die Positionen der Grünen und Linken
Die Grünen möchten sicherstellen, dass zumindest die anderen beiden Kandidaten, anteilig der von der Union ins Rennen geschickte Bundesarbeitsrichter Günter Spinner und die von der SPD vorgeschlagene Staatsrechtlerin Ann-Katrin Kaufhold, die nötige Mehrheit im Bundestag erhalten – und zwar ohne Unterstützung der AfD. Auch die Linke schlägt vor, für die übrigen Kandidaten keine Auswechselung vorzunehmen, setzt jedoch auf gemeinsame Absprachen für neue Kandidaten und künftige Gespräche zwischen den Parteien.
Brosius-Gersdorf wollte ein Auseinanderreißen des „Gesamtpakets“ für die Richterwahl verhindern. In ihrer Erklärung betont die 54-jährige Potsdamer Juraprofessorin die Wichtigkeit des Schutzes der anderen beiden ins Rennen geschickten Kandidaten. Außerdem müsse eine Eskalation des Koalitionsstreits um die Richterwahl unbedingt abgewendet werden, denn die daraus resultierenden Folgen für die Demokratie wären nicht absehbar.
Wie erreichen sie die Zweidrittelmehrheit?
Brosius-Gersdorfs Rücktritt mag zwar die Blockade bei der Richterwahl beheben, doch er bringt der Koalition ein altbekanntes Problem zurück: Wie bekommt man im Bundestag die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Wahl der Kandidaten?
Bereits bei der vor nicht allzu langer Zeit gescheiterten Wahl im Juli war es denkbar, dass CDU/CSU auf Stimmen der AfD angewiesen wäre. Das möchten jedoch sowohl die Union als auch die restlichen Fraktionen unbedingt vermeiden. Gespräche mit der Linken, deren Stimmen eventuell nötig werden könnten, wurden von der Unionsfraktion abgelehnt.
Kritik an Jens Spahn
Im Fokus der Kritik steht nun erneut Jens Spahn, der Fraktionschef der Union. Grüne und Linke sprühen vor harschen Vorwürfen und bezeichnen ihn als „ungeeignet“. Die Grünen-Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge sind sich einig.
Die Linken-Politikerin Clara Bürger äußert: „Das Bundesverfassungsgericht wurde durch das Verhalten der Unionsfraktion, insbesondere durch Jens Spahn wenn er versäumt hat, die Fraktion zu führen, negativ beeinflusst.“ Der SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil sagt deutlich: „So etwas darf sich nicht wiederholen.“
Spahns Antwort
Spahn selbst sieht die Sache jedoch anders. Er bedauert in einer Stellungnahme, dass das Problem auch durch die späte Klärung in Bezug auf inhaltliche Bedenken entstanden sei. „Wir werden nun mit der benötigten Ruhe und Sorgfalt gemeinsam mit unserem Koalitionspartner eine Lösung finden“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Teilbereiche der Unionsfraktion hatten jedoch erhebliche Bedenken gegen die von der SPD nominierten Brosius-Gersdorf, und das aus unterschiedlichsten Gründen. Dazu gehörten unter anderem ihre Äußerungen zu Themen wie dem Schwangerschaftsabbruch und der Impfpflicht während der Corona-Pandemie. Zuletzt äußerte sich auch der Plagiatssucher Stefan Weber vor der Wahl zu einem angeblichen Vorfall in der Dissertation der Staatsrechtlerin. Auf die Vorwürfe reagierte sie entschieden.
Abschied mit einem bitteren Beigeschmack
Brosius-Gersdorfs Rücktrittsschreiben zeigt eine klare Enttäuschung über die Vorgänge. Sie nennt die Unterstützung der SPD, Grünen und Linken zwar positiv, kritisiert gleichzeitig Teile der Medien – auch wenn deren Berichterstattung letztendlich sachlicher geworden sei.
„Die CDU/CSU-Fraktion hat es nicht geschafft, sich mit meinen Themen und Thesen inhaltlich auseinanderzusetzen. Eine Einladung zu einer Fraktionssitzung blieb bis zuletzt aus“, merkt die Juristin an. Zudem beklagt sie „eine in Sozialen Netzwerken organisierte, teils von KI generierte Desinformations- und Diffamierungskampagne“.
