Deutschland muss sich auf das Schlimmste vorbereiten
Der Besuch von Außenminister Johann Wadephul in China bringt tiefgreifende Einsichten zur Zukunft Deutschlands mit sich.
Bericht aus Guangzhou von Patrick Diekmann.
In China kann man sich auf eine Sache immer verlassen: Alles, was im Staatsfernsehen ausgestrahlt wird, ist sorgfältig geplant. Denn Zensur ist im gesamten Land präsent, es gibt praktisch keine Pressefreiheit.
In diesem Kontext war es bemerkenswert, dass Wadephuls Besuch am Montag in Peking in vielen chinesischen Fernsehsendern übertragen wurde. Die Interpretation in China ist zweifelhaft: Wadephul und sein Amtskollege Wang Yi wollen enger zusammenarbeiten, besonders geopolitisch. Ein stärkerer Dialog zwischen den Ländern der zweit- und drittgrößten Volkswirtschaft steht offenbar im Zentrum.
Ein Zeichen dafür, dass Deutschland in China respektiert wird.
- Handelsfragen: Krisen um Russland und Taiwan
- Deutschland im Fokus: „Enttäuschung über China“
Korrektes Verhalten, kaum Ergebnisse
Wadephuls Besuch wäre vor fünf Jahren noch ein üblicher Termin gewesen, bei einem der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Doch heutzutage ist die Situation eine andere, belastet durch Chinas Rückhalt für Wladimir Putins Krieg in Ukraine, Konflikte in Rohstofffragen und andauernde Drohungen bezüglich Taiwan.
Diese geopolitischen Spannungen stehen der deutschen Regierung täglich vor großen Herausforderungen, die sich auf sämtliche Beziehungen mit China auswirken. Es ist klar: Wadephul hat in Peking keine Lösungen gefunden. Seine Reise verdeutlicht die Notwendigkeit, dass Deutschland dringend tiefergehende Strategien entwickeln muss.
Die Interaktionen während des Besuchs waren durchweg positiv und freundlich. Obwohl der Austausch von Ideen intensiv war und es kein öffentliches Missverständnis gab, kehrt Wadephul am Ende mit leeren Händen in Bezug auf diese Themen zurück.
Es wäre wirklich naiv zu erwarten, dass China, seine wertvollsten Hebel im Handel, vorzeitig aufgeben würde, nur weil ein Minister Besuch kommt. Das Gleiche gilt für die strategische Verbindung zu Wladimir Putin, die für Xi Jinping von großer Bedeutung ist. Immerhin profitiert China noch von dieser Beziehung. Dies bildet die bittere Wahrheit für den Westen.
Europa muss lernen, Machtpolitik zu betreiben
Für Deutschland bedeutet die Beziehung zu Ländern wie China auch, dass man seine Erwartungen realistisch einschätzen muss. Xi Jinping verfolgt unerschütterlich seine eigenen Interessen – moralische Argumente interessieren ihn nicht im Geringsten. Amerikaanse Präsidenten wie Donald Trump agieren ganz nach dem ähnlichen Prinzip, indem sie Gelegenheiten zur Durchsetzung ihrer Interessen nutzen.
China übt Druck auf Europa über strategisch bedeutsame Rohstoffe aus, während gezielte Druckmaßnahmen von Trump aus der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik kommen. Zuletzt war dies in der neuen amerikanischen Sicherheitsstrategie, welche für Europa eine klare Herausforderung darstellt, leise zu vernehmen.
Europa sieht sich gleichzeitig unter Druck von beiden Mächten. Es darf nicht in das Dilemma geraten, sich entscheiden zu müssen zwischen USA und China als Verbündete. Die Amerikaner bleiben entscheidend in Sicherheitsfragen, die Volksrepublik ist für die Wirtschaft unerlässlich.
Eine Erkenntnis jedoch ist unverzichtbar, auch und gerade in den Gesprächen, die Wadephul in Peking führte: Europa muss lernen, eigenständiger Machtpolitik zu folgen, um nicht in der neuen Weltordnung unterzugehen. Nur so können die EU-Staaten als unabhängige Akteure agieren.
Fehlender Mut und Lack an Zuversicht
Die Schritte, die Europa zukunftsweisend macht, sind zumeist viel zu zögerlich. Oftmals fehlt der Mut, alte Strukturen zu hinterfragen und sich autonom zu machen. Das hat fatale Folgen – Unabhängigkeit und Werte müssen in Zukunft unabdingbar sein. Deutschland muss auszuhandeln wissen, wo der Punkt erreicht ist, um Trump und Xi eine klare Absage zu erteilen. Hierzu benötigt man ein starkes Selbstbewusstsein, um Einfluss wahren zu können.
Wadephul und die Bundesregierung setzen zurzeit ganz auf Verständigung und Verhandlung; dies war das zentrale Merkmal aller Gespräche in China. Das ist fundamental wichtig, um Informationen weiterhin einfließen zu lassen und Handlungsoptionen offen zu halten. Dennoch sollte man das Schlimmste nicht ausschließen. Besonders die Eskalation im Taiwan-Konflikt oder der potenzielle Rückzug der USA aus westlichen Bündnissen könnte plattformrelevante Fragen aufwerfen. Die geopolitischen Verhältnisse sind zu weitreichend, um sie zuvor alleine durch Investitionen und öffentliche Kontakte zu lösen. Hoffentlich hat das Europa begriffen, auf das man sich in der letzten Zeit nicht perfekt auf solche Krisenblasen vorbereitete.
Wadephuls Reise nach China bleibt eine prägnante Mahnung: Deutschland und Europa müssen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch wesentlich eigenständiger werden. Die Zeit drängt, jetzt muss gehandelt werden.
