Konfrontation zwischen Merz und Erdogan: Machtspiele vor der Kamera

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Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich während seines Antrittsbesuches in Ankara mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über den Gaza-Konflikt auseinandergesetzt. Statt harmonischer Gespräche kam es zu einem offenem Schlagabtausch.

Merz positionierte sich klar hinter Israel, während Erdogan dem Land erneut Völkermord vorwarf. „Sie greifen Gaza nicht nur an, sondern versuchen, es mit Hunger und Greueln vollkommen zu lähmen“, erklärte Erdogan bei einer Pressekonferenz in Ankara und kritisierte die Luftangriffe Israels, die trotz stiller Waffenruhe weitergeführt wurden.

Merz hebt Israels Selbstverteidigungsrecht hervor

Als ein türkischer Journalist den Gaza-Krieg ansprach, verteidigte Merz Israels Recht auf Selbstverteidigung. „Es hätte nur einer Entscheidung bedurft, um die vielen unnötigen Menschenleben zu schützen“, sagte er und betonte, dass die Hamas früher ihre Geiseln hätte freilassen und aufhören sollten, ihre Waffen zu benutzen – dann wäre der Konflikt schon längst beendet gewesen.

„Israel ist ein sicherer Hafen für Millionen Juden, viele von ihnen überlebten den Holocaust. Deutschland steht fest an Israels Seite“, versicherte der Kanzler.

Erdogan widerspricht deutlich

Daraufhin widersprach Erdogan Merz, indem er sagte: „In einem Punkt kann ich dem Kanzler leider nicht zustimmen.“ Er verwies darauf, dass die Hamas keine Atomwaffen besitze, im Gegensatz zu Israel, das erneut auf Gaza abzielt.

Die Türkei hat gute Kontakte zur Hamas, was auch bei der Vermittlung der Waffenruhe vor zwei Wochen deutlich wurde. Allerdings wackelt diese Waffenruhe inzwischen zunehmend, und es bleibt unklar, wie der Friedensprozess weitergehen soll, insbesondere was die Entwaffnung der Hamas betrifft. Merz erklärte, er hoffe, dass die Türkei Einfluss auf die Hamas ausübt, um die nächsten Schritte umzusetzen.

Neue strategische Partnerschaften

Die Diskussion über die Rolle der Türkei im Nahost-Konflikt ist nur eines von mehreren Themen, die die neue Bundesregierung ansprechen möchte, um die Beziehungen zur Türkei, die in der vergangenen Zeit oft von Differenzen geprägt waren, zu einer strategischen Partnerschaft weiterzuentwickeln.

Unter Präsident Erdogan war die Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei von schweren Auseinandersetzungen glanzlos geprägt, darunter Menschenrechtsverletzungen und militärische Einsätze. Die interne und externe Bedeutung der Türkei in Migrationsthemen und als Vermittler im Ukraine-Konflikt hat die Ampelregierung unter Olaf Scholz zwar bereits zu einer Entspannung geführt, doch die neue Schwarz-Rote Regierung möchte diesen Kurs weiterführen.

Der Besuch von Merz wurde auch durch die Begleitung seiner Frau Charlotte geprägt – ein Zeichen der Freundschaft und gemeinschaftlichen Ansprüche an die bilaterale Beziehung. In der Pressekonferenz betonte Merz zudem, dass Deutschland und Europa die strategischen Partnerschaften ausbauen sollten, gerade auch mit der Türkei: „Lassen Sie uns die enorme Chance unserer Beziehungen in den nächsten Jahren besser nutzen.“

Unterstützung für Türkische EU-Mitgliedschaft

Merz versprach Erdogan deutsche Unterstützung auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft der Türkei: „Die Türkei gehört eng an die Seite der Europäischen Union. Wir möchten den Weg nach Europa weiter ebnen.“ Er plädierte auch für einen strategischen Dialog auf europäischer Ebene, was von türkischen Analysten positiv aufgenommen wurde.

Dabei wies Merz erneut auf die Bedeutung der Kopenhagener Kriterien hin, die eine Aufnahme in die EU an Bedingungen wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz knüpfen.

Erdogan äußerte den Wunsch, das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern, derzeit bei 50 Milliarden US-Dollar, auf 60 Milliarden zu steigern und die Rüstungskooperation ausbauen.

Rechtsstaatlichkeit im Fokus

Trotz großer Annäherung blieben Differenzen, insbesondere hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit. Merz äußerte seine Besorgnis über den Zustand der Justiz in der Türkei. In den vergangenen Monaten ist der Druck auf unabhängige Medien und Oppositionspartei drastisch angestiegen, das berichtet unter anderem Amnesty International.

Erdogan hingegen reagierte, als er auf die Inhaftierung des ehemaligen Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu angesprochen wurde und verteidigte die Entscheidungen der Justiz vehement: „Wer die Justiz nicht respektiert, muss mit Konsequenzen rechnen.“

Imamoglu musste aufgrund von Korruptionsvorwürfen im März seine Amtsposition räumen. Kurz vorher wurde ein neuer Haftbefehl wegen Spionage gegen ihn erlassen. Dies hat zu einer der größten Protestwellen in der Türkei seit den Gezi-Protesten geführt.

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