NATO denk über aggressiveren Ansatz nach
In Bezug auf russische Angriffe scheinen die NATO-Staaten eine Wende in ihrer Strategie einzuleiten. Admiral Giuseppe Cavo Dragone, der Chef des NATO-Militärs, hat in einem Interview mit der Financial Times deutlich gemacht, dass das westliche Militärbündnis über eine proaktive Haltung nachdenkt, um Cyberangriffe, Sabotage-Aktionen und Verletzungen des Luftraums effektiver zu begegnen.
Dragone erklärte: „Unser gegenwärtiger Kurs bei Cyberaktionen ist sehr reaktiv. Ein aggressiverer oder sogar proaktiver Ansatz ist etwas, das wir überlegen sollten.“ Europas Verwundbarkeit in dieser Hinsicht ist besonders seit Beginn des Ukraine-Kriegs gestiegen. Ein aktuelles Beispiel hierfür war der Sprengstoffanschlag auf eine zentrale Bahnlinie in Polen, welcher in der Mitte des Novembers stattfand und für den Polen Russland verantwortlich machte.
Sabotageakte und ihre politischen Ziele
Polens Ministerpräsident Donald Tusk führte aus, dass die vermeintlichen Täter nicht nur direkte physische Schäden verursachen wollen, sondern vielmehr Unruhe und Unsicherheit in der Gesellschaft schüren. Mit diesen Aktionen wollen sie ein Gefühl von Panik und Verwirrung auslösen und gleichzeitig negative Stimmungen gegen die Ukraine erzeugen.
Besonders Länder aus Osteuropa fordern die NATO auf, nicht länger nur zu reagieren, sondern sich aktiv zur Wehr zu setzen. Eine solche Reaktion könnte vor allem bei Cyber-Angriffen realisiert werden, da viele europäische Staaten dazu in der Lage sind. Konkrete verdeckte Operationen in Russland selbst sind jedoch weitaus komplizierter.
Experten warnen vor den Auswirkungen des hybriden Krieges
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hebt ebenfalls hervor, wie gefährlich Russlands hybride Strategien sind. Ihre Studien zeigen, dass das Ziel dieser Aggressionen darin besteht, die öffentliche Unterstützung für die Ukraine zu destabilisieren und ein Klima der Unsicherheit in Europa zu schaffen. Zugleich zielt Moskau darauf ab, die Sicherheitsstrukturen von NATO und EU zu untergraben und deren Einfluss auf das europäische Sicherheitssystem zu schmälern.
Eine große Herausforderung für die NATO ist, dass man viele dieser Sabotageakte Russland nicht direkt zuordnen kann, wie die DGAP betont. Die mangelnde Möglichkeit zum Nachweis und die damit verbundenen Schwierigkeiten sind der Grund dafür, dass traditionelle Strategien Russland nicht effektiv daran hindern können, aktiv zu werden. Admiral Dragone selbst stimmte in diesem Punkt zu und nannte die bisherigen Gegenmaßnahmen weitestgehend reaktiv.
Auf der Suche nach Wegen, diese Probleme zu bewältigen, schlägt Dragone einen „präventiven Schlag“ vor, um defensive Maßnahmen zu ergreifen. Er räumt jedoch ein, dass dies einen Paradigmenwechsel in der Denkweise und den Verhalten der NATO darstellen würde. Aggressive Reaktion auf die Aggressivität des Gegners könnte durchaus eine Strategie sein. Dabei bleibt unklar, welche Bestechungen und rechtlichen Fragen noch geklärt werden müssen.
Bisher konnte die NATO einige Erfolge mit der Baltic-Sentry-Mission verzeichnen, die darauf abzielt, Angriffe auf Kabelverbindungen in der Ostsee zu verhindern. Nach Angaben von Dragone gab es seit Beginn dieser Mission nichts Beunruhigendes.
Russland hat auf Dragones Aussagen reagiert, mit Maria Sacharowa, der Sprecherin des Außenministeriums, die die Äußerungen als unverantwortlich bezeichnete. Ihrer Meinung nach sei dies ein versuchter Schlag gegen alles, was zur Lösung der Ukraine-Krise beitragen sollte. Sacharowa warnte ebenfalls vor den möglichen Konsequenzen für die Bündnispartner Russlands.
