Gastbeitrag: Europas Daten als treibende Kraft der KI

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Die von uns geleiteten Modelle zeigen in Wissenschaft und Industrie eine Präzision, die weltweit ihresgleichen sucht. Rolf Schumann ist sich sicher: Das ist unser europäischer Schlüssel zur globalen Bedeutung.

Künstliche Intelligenz (KI) ist weit mehr als ein flüchtiger Tech-Trend; sie gilt als zentrale Technologie unserer Zeit. Diese Entwicklungen bringen für Europa entscheidende Fragen mit sich: Wer bestimmt die Regeln in dieser neuen Ära? Unsere Antworten werden darüber entscheiden, wie wohlhabend und sicher wir in Zukunft leben können.

Um die wahre Stärke der KI zu verstehen, müssen wir sie entmystifizieren. Im Kern geht es dabei um komplexe Mathematik – das Berechnen von Wahrscheinlichkeiten anhand enormer Datenmengen. Diese Rechenkapazität fungiert als die „Dampfmaschine“ des 21. Jahrhunderts.

KI verbessert sowohl Büroabläufe als auch Produktionsprozesse. Der Effizienzgewinn ist enorm: Ein komplizierter Revisionsbericht, der früher drei Tage zur Erstellung brauchte, wird von einem KI-Modell heute bereits in drei Stunden erstellt. Die bei diesem Prozess frei gewordene Zeit können wir nutzen, um uns dringend notwendigen gesellschaftlichen Herausforderungen zu widmen.

Daten sind der Treibstoff für diese digitale Dampfmaschine. Europas wertvollster Schatz ist unser tiefes, industrielles Wissen, das wir über Jahrzehnte gesammelt haben. In Deutschland haben wir führende Unternehmen im Bereich der Greiftechnik, die für die moderne Produktionstechnik unverzichtbar sind.

Ein Unternehmer aus dieser Branche berichtete, dass es seine Greifsysteme auch schon als Nachahmungen aus Asien gibt. Doch deren effektive Anwendung zu kopieren, bleibt anderen verwehrt. Solche spezialisierten Datensätze sind die Fundamente unserer digitalen Zukunft.

Wir brauchen eigene, unabhängige Infrastrukturen

Es gilt der Grundsatz: Daten sind das neue Code. Statt in den Wettbewerb um universelle „Large Language Models“ einzutauchen, sollten wir unsere Stärken dort entwickeln, wo es darauf ankommt. Mit unserem spezialisierten Wissen trainierte Modelle erzielen deshalb in der Wissenschaft und Industrie eine unerreichte Präzision. Das ist unser europäischer Weg auf die globale Bühne.

Die Doppelnatur der KI bringt große Chancen, aber auch severe Risiken mit sich. Die größte Angst dabei ist die digitale Abhängigkeit: Wer unsere Daten und deren Verarbeitung kontrolliert, hat auch unsere Zukunft in der Hand.

Diese Abhängigkeit von nicht-europäischen Unternehmen gefährdet unsere Souveränität. Wir müssen in der Lage sein, in unserem eigenen Raum selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Daher ist die Kreation eigener, souveräner Infrastrukturen unbedingt notwendig.

Die europäische Antwort auf diese Herausforderungen wird im AI Act gesehen. Es ist entscheidend, klare Richtlinien für vertrauenswürdige KI zu schaffen und unsere Werte zu schützen – insbesondere in Bezug auf den Datenschutz.

Weiterlesen:„Hilft null weiter“ – Wettbewerbshüter äußern Bedenken gegen die Champions-Strategie Europas

Diese Orientierung birgt jedoch auch Spannungen: Oft geht die Technologie schneller voran als unsere Regulierungsverfahren. Bloße Deregulierung ist nicht im Sinne von niemandem. Wenn wir die Regulierungen völlig abschaffen, verlieren wir den Schutz unserer Daten.

Es braucht das richtige Gleichgewicht: Zu strenge und detaillierte Regulierungen können Innovation ersticken und unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig gefährden. Wir dürfen die Chancen nicht verpassen, wenn wir nur vor den Risiken zurückschrecken.

Regulierungen sollten Innovation ermöglichen, nicht im Wege stehen. Gleichzeitig müssen sie unsere wertvollsten Güter, die Daten, schützen. Hier ist dringend Handlungsbedarf angesagt.

Vier Säulen für den Aufbau von KI-Infrastrukturen

Damit die Transformation hin zur KI gelingt, sollten wir diese aktiv gestalten. Die Expertenkommission „Wettbewerb und KI“ hat sich genau diesen Herausforderungen angenommen. Wir wollen unter Beweis stellen, wie Deutschland die Vielzahl an Möglichkeiten, die KI eröffnet, im Sinne europäischer Werte gestalten kann und gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit steigert.

Politik, Wirtschaft und Wissenschaft müssen enger zusammenarbeiten, um Deutschlands Position im KI-Rennen unverzüglich zu stärken. Unsere gemeinsame Kraft steht gemainsanis für: den Aufbau souveräner digitaler Infrastruktur, Investitionen in unser einmaliges industrielles Wissen und die Schaffung innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen.

Für diese Ziele hat die Kommission erste Empfehlungen formuliert, die bis März 2026 nachjustiert werden können. In diesen Empfehlungen werden vier wichtige Prinzipien für den Aufbau der KI-Infrastruktur genannt: Erstens, wir müssen eine Basis-Infrastruktur etablieren, die Rechenzentren und Cloud-Computing integriert. Zweitens sollten wir europäisch denken und verhindern, dass Fähigkeiten innerhalb der EU zu stark fragmentiert werden.

Drittens ist es wichtig, marktwirtschaftliche Strategien zu entwickeln, die tragfähige Geschäftsmodelle ermöglichen. Und natürlich sollte der Zugang zur KI-Infrastruktur so einfach sein, dass auch kleine Unternehmen, Start-ups und Bildungseinrichtungen profitieren können.

Die KI-Revolution sollte nicht von äußeren Einflüssen diktiert werden, sondern von Akteuren innerhalb Europas mit Verantwortung, Fairness und der richtigen Ethik gestaltet werden. So können wir gemeinsam eine vielversprechende digitale Zukunft für Europa schaffen.

Der Autor: Rolf Schumann ist Co-CEO bei Schwarz Digits und Co-Vorsitzender der Expertenkommission „Wettbewerb und KI“ beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

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