T&E: Technologieneutralität löst die Probleme der Autoindustrie nicht

Estimated read time 5 min read

Die EU-Kommission hat jetzt den Plan, die Flottengrenzwerte für Pkw zu lockern. Das wird von vielen als Sieg für die sogenannte Technologieneutralität gefeiert. Laut Transport & Environment (T&E) ist das aber schlichtweg ein gefährlicher Irrtum. Das Streben nach dieser Technologieneutralität fördert nicht nur Verwirrung unter den potenziellen Käufern, es bringt auch die Autoindustrie in eine ganz schön verzwickte Lage.

Manfred Weber, Chef der EVP, einer Partei, die vor allem von der CDU gegründet wurde, möchte sogar noch in den 2040er Jahren Verbrenner verkaufen. Das führt dazu, dass die Industrie weiter in eine Technologie investieren muss, die sich bereits am Ende ihres Lebenszyklus befindet. Jeder Euro, den die Hersteller in Verbrenner stecken, vergrößert den Rückstand gegenüber der batterieelektrischen Konkurrenz, warnt T&E.

Währenddessen wartet China nicht auf die deutsche Flexibilität als technologische Führungsnation, das Land hat entschieden, auf die Batterie zu setzen. Wenn die deutsche Autoindustrie mit der Hilfe der Politik in Europa die letzten Gewinne aus der Verbrennertechnologie herausquetschen möchte, läuft sie Gefahr, am Ende technologisch ins Hintertreffen zu geraten. T&E merkt dazu an: „Es ist zwar bequem, die Flottengrenzwerte für die aktuellen Probleme der Autoindustrie verantwortlich zu machen, aber so übergeht man die eigentlich zugrunde liegenden Ursachen.“

Was ist die Krise und woher kommt sie?

Laut der Umweltorganisation verkauft Europa heute drei Millionen Autos weniger als noch 2019. Der Grund? Hersteller setzen auf Profit statt auf hohe Verkaufszahlen. VW-CEO Blume hat sogar „value over volume“ zum neuen Mantra erklärt. Zudem ist der durchschnittliche Preis für ein Massenfahrzeug zwischen 2018 und 2024 um satte 40 Prozent gestiegen – von 22.000 Euro auf 30.700 Euro. Zwar erleben viele Hersteller Rekordgewinne, jedoch können sich immer mehr Europäer kein neues Auto mehr leisten.

Zur gleichen Zeit bröckeln die Verkaufszahlen deutscher Marke in China, wo die Konkurrenz durch lokale E-Autohersteller druck macht – und die Gewinnspannen sinken rapide. Volkswagen, einst der unangefochtene Marktführer in China, hat bei E-Autos heute weniger als ein Prozent Marktanteil. Das ist eine alarmierende Lage in einem Markt, in dem inzwischen über die Hälfte der neuen Fahrzeuge elektrisch betrieben wird.

Auf diese doppelte Herausforderung mit einem größeren Gewicht auf der kostspieligsten Fahrzeugklasse, den Plug-in-Hybriden, und einem langsamen Übergang zu zukunftsweisenden Technologien zu reagieren, ist extrem kurzsichtig. Es gibt drei Hauptgründe, warum die angebliche Technologieneutralität in Bezug auf die Flottengrenzwerte eine riskante Idee ist:

Klare Ziele lenken die Investitionen

Deutliche Ziele würden die Planungssicherheit ihrer Seite für Investoren erhöhen. Eine Abschwächung des Ziels für 2035 könnte hunderte Milliarden Euro in der elektrischen Wertschöpfungskette und damit die zukünftigen Arbeitsplätze in den Bereichen Batterien, Ladenetzwerke und mehr gefährden. Aus diesem Grund haben mehr als 200 CEO und Führungsfiguren die EU-Kommission gebeten, diese Ziele nicht zu verändern.

Technologieneutralität und ihre Zahlungsfähigkeit

Bereits jetzt sind Elektroautos im Betrieb die günstigsten und werden auch bald preiswerter beim Kauf sein. Dem Konzept der Technologieneutralität stehen in der Praxis jedoch teurere Optionen gegenüber, die langweilig für die Autofahrer sind. Plug-in-Hybride kosten im Durchschnitt unglaubliche 55.000 Euro, während synthetische Kraftstoffe wie E-Fuels bei 6 bis 8 Euro pro Litern landen. Fortgeschrittene Biokraftstoffe sind ebenfalls teuer, weil sie nicht in ausreichendem Umfang verfügbar sind.

Die Elektrifizierung der Welt – auch ohne Europa

Der globale Wettlauf um Elektrifizierung hat längst nicht nur in China, dem größten Automarkt der Welt, begonnen; jetzt entdecken auch zunehmend aufstrebende Märkte wie Thailand und Vietnam das Thema. Die europäische Autoindustrie läuft Gefahr, auch dort von günstigeren chinesischen E-Auto-Produzenten verdrängt zu werden. Sogar hier in Europa stellt der Wandel inzwischen einen beschleunigten Prozess dar: Allein im dritten Quartal 2025 erreichen zehn europäische Länder neue Höchststände bei der Zulassung von E-Autos.

Europa steht vor einer wichtigen Entscheidung

Wenn Europa an den Zielen für 2035 festhält, hat die europäische Autoindustrie die Chance, sich als wettbewerbsfähiger globaler Akteur im Bereich E-Autos zu behaupten. Andernfalls, wenn die Ziele verwässert werden, um den Herstellern die letzten Gewinne aus der überholten Verbrennertechnologie zu ermöglichen, wird die gesamte Branche zurückfallen.

Die europäische Autoindustrie hat zu spät erkannt, dass sie gegenüber China an Boden verloren hat. Die IAA in München hat gezeigt, dass sie aus dem Schock in Shanghai gelernt hat und wieder in der Lage ist, konkurrenzfähige E-Autos „Made-in-Europe“ zu produzieren. Der Vorstoß der EVP wird die Hersteller jedoch dazu zwingen, beim Verbrennungsmotor zu bleiben und damit in eine Sackgasse zu geraten.

Da die Entwicklung von Verbrenner-Technologien jahrelang stagniert, während E-Autos sich ständig weiterentwickeln und attraktiver werden, entscheiden sich immer mehr Kunden weltweit für elektrische Mobilität. Die große Frage bleibt, ob diese elektrischen Fahrzeuge auch in Zukunft „Made-in-Europe“ sind und echte Arbeitsplätze schaffen oder ob die europäische Automobilindustrie am Ende nur Nischenprodukte hervorbringt. T&E hebt hervor, dass Diskussionen über Biokraftstoffe, E-Fuels und Hochleistungsverbrenner Europa nicht die nötige Zeit geben, um mit China im Wettbewerb zu bleiben. Das Europaparlament und der europäische Rat haben jetzt die Möglichkeit, zu entscheiden, ob die EU sich in ein „Museum der Verbrennungstechnologie“ verwandelt.

Related Posts: