Europa hat im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) im Vergleich zu den USA arg ins Hintertreffen geraten. Vor allem nach dem Boom von Technologien wie dem Chatbot ChatGPT, der im November 2022 eingeführt wurde, herrscht ein regelrechter Wettlauf um die technische Ausstattung in Rechenzentren. Hier zahlt sich vor allem der wirtschaftliche Vorteil eines Unternehmens wie NVIDIA aus. Der US-Hersteller kontrolliert sagenhafte 80 Prozent des globalen Marktes für KI-Hochleistungsprozessoren.
Ende Oktober 2025 knackte NVIDIA als erster Konzern der Geschichte die unglaubliche Marke von fünf Billionen US-Dollar Börsenwert. Während NVIDIA ganz oben thront, stehen europäische Firmen wie ASML vor der Frage: wie können sie in diesem Wettbewerb besser bestehen?
Chancen erkennen und nutzen
Kai Beckmann, CEO von Merck Electronics, sieht in Europa große Chancen, die eigenen Stärken bei KI auszuspielen. Seiner Meinung nach hat Europa nicht nur technologische Komplexität, sondern auch die industrielle Tiefe und Innovationskraft, um sich im KI-Zeitalter behaupten zu können. Länder wie Holland oder Unternehmen wie Merck und Siemens aus Deutschland sind bereits an der Spitze der Halbleiterindustrie.
Allerdings ist mehr nötig als gute Ansätze: Einheitliche, strategische Konzepte müssen entwickelt werden, um bestehende Stärken zu erweitern und administrative Hürden abzubauen. Becker kritisiert, dass die politische Landschaft in Europa derzeit fragmentiert ist und call-to-action isolierte Gesetze und Finanzierungssysteme überwunden werden müssen. Schließlich sind KI und Halbleiter stark miteinander verbunden, weswegen auch ein einheitlicher Ansatz für beide Bereiche notwendig ist.
Laut Beckmann darf Europa keine totale Unabhängigkeit anstreben, sondern sollte strategische Kooperationen auf globaler Ebene anstreben, um Schlüsselpositionen in der KI- und Halbleiterbranche zu stärken. Ein klarer Fokus auf ihre Stärken, wie die Spezialität in der EUV-Lithographie, Materialien und industrieller KI, ist entscheidend. Unternehmen sollen mehr in Forschung und Entwicklung investieren.
Zusätzlich hebt Beckmann hervor, dass innovative, ganzheitliche Ökosysteme entwickelt werden sollten, wobei der Fokus auf „Innovationsankern“ liegen müsse, welche neue strategische Kompetenzen in die europäische Industrie bringen.
Der erfahrende Manager fordert von der Politik eine Vereinfachung von Bürokratie sowie eine durchdachte Talententwicklung an der Schnittstelle von KI und Halbleitertechnik. Es müssen attraktive Karriereperspektiven geboten werden, um die Talente in Europa zu fördern, ebenfalls wichtig sind wettbewerbsfähige Visa-Regelungen.
Bezüglich der Sicherstellung der KI- und Halbleiterlieferketten rät Beckmann von protektionistischen Reflexen ab. Stattdessen sollten Verträge zur strategischen Gegenseitigkeit gefestigt werden. „Unsere Stärken in Bereichen wie Lithografie, Materialwissenschaften und industrieller IP geben uns die Möglichkeit, über Technologietransfers Zugang zu Fähigkeiten für GenAI-enhanced Dienste zu sichern“, erklärt Beckmann.
Optimierung durch Empowerment
Iris Plöger, digitale Expertin beim BDI, hat eine ähnliche Sicht. Europa, und speziell Deutschland, ist gut in die globale Lieferkette der Halbleiter integriert. Die Nachfrage nach Maschinen zur Chip-Produktion ist stark, also muss Europa diese Gelegenheiten aktiv ausbauen. Sie fordert die Bildung von Clustern und Innovationseinheiten, damit Abhängigkeiten verringert werden können.
Zudem plädiert sie für die Beseitigung regulatorischer Hindernisse, Optimierung der Genehmigungsprozesse und Bekämpfung des Fachkräftemangels, damit neue Produktionskapazitäten schnell realisiert werden können.
Doch auch Plöger erkennt, dass die Hightech Agenda der deutschen Regierung zwar wichtige Ansätze gibt, jedoch klare Ziele und definierte Meilensteine fehlen. Dies ist entscheidend, denn im agilen Halbleitermarkt ist Schnelligkeit unerlässlich.
Redaktion finanzen.net
